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Der Junge ist stark, der schafft das

Wie Kevin Steinhaus sich nach einer Krebserkrankung ins Leben zurückkämpft und mit seinem Fußballverein gleich einen Weltrekord aufstellt.

Als im Oktober 2018 fast 3.000 Zuschauer das Kreisligaspiel TuS Harpen gegen SV Teutonia Riemke sehen, ist das allein schon etwas Besonderes. Normalerweise sitzen um die 20 treue Fans auf den Rängen. Doch an diesem Tag haben sich die Bochumer Vereine vorgenommen: Wir schaffen den Zuschauer-Weltrekord in der Kreisliga C. Und tatsächlich: ein Anruf von Cynthia Günther beim Radiosender 1Live bringt alles ins Rollen. Die Auszubildende bei thyssenkrupp Steel Europe spielt im Damenfußball beim TuS Harpen und ist außerdem Schiedsrichterin. 1Live trommelt wochenlang im Voraus, schickt Reporter Daniel Danger von Tür zu Tür in Bochum, das ARD Morgenmagazin, das Fußballmagazin 11 Freunde und andere Medien springen auf den Zug.

Der Tag des Matches ist ein ganz großer für die Vereine. Champions-League-Hymne, Fahnenmeer, Konfettiregen. Die Mannschaften laufen ein wie die Profis, mit Fußballkindern an der Hand. Am Ende gewinnt Harpen mit 5:0.

Kevin Steinhaus

„Der Mann des Spiels“

„Wenn 3.000 Leute deinen Namen rufen, das geht runter wie Öl“, sagt Kapitän Kevin Steinhaus. Für niemanden anderes ist der Tag besonderer als für ihn. Es ist erst ein dreiviertel Jahr her, dass der 26- Jährige manchmal kaum eine Wasserflasche halten konnte. Das war zu den schlimmen Zeiten der Chemo- und Strahlentherapie. Die Schockdiagnose lautete Non Hodgkin, aggressiver Lymphdrüsenkrebs. Da war Kevin Steinhaus gerade mal 25 Jahre alt.

„Ich bin immer offensiv damit umgegangen.“

Steinhaus arbeitet bei thyssenkrupp Steel Europe im Personalbereich. Als er im September 2017 nach einem Hustenanfall Blut spuckt, drängt ihn sein Kollege dazu, zum Werksarzt zu gehen. „Damals war ich genervt – heute bin ich ihm dankbar dafür“, sagt Steinhaus. Es folgen: viele unangenehme Untersuchungen und Therapien. Die Haare fallen aus, Steinhaus schwitzt schon, wenn er nur die Sporttasche hebt. Fitnesstraining, Fußball – den Sport muss er auf Eis legen, nichts geht mehr. Doch Steinhaus ist ein Kämpfer. „Ich hab‘ mir die Krankheit nicht ausgesucht, aber ich kann auch nichts dafür, dass sie mich erwischt hat“, sagt er. Sein Krebs ist kein Tabu-Thema, er erzählt allen offen davon. „Hey Leute, alles cool“, sagt er den Leuten. „Mein Humor ist kein anderer, nur weil ich krank bin.“

Steinhaus arbeitet bei thyssenkrupp Steel Europe im Personalbereich.

„Es lohnt sich, nicht aufzugeben.“

Steinhaus lässt den Kopf nicht hängen. Auch in den dunklen Momenten nicht. Dann denkt er daran, dass er wieder Fußball spielen will. „Ich war schon immer ein Fußballverrückter“, sagt er. Auch sein Vorbild Marco Russ hat nach einer Krebserkrankung wieder als Profifußballer bei Eintracht Frankfurt spielen können. Und Steinhaus denkt an die vielen Menschen, die ihm Mut machen, hinter ihm stehen. Familie, Freunde, aber auch die Kollegen bei thyssenkrupp. Sein Schreibtisch ist fast ein Jahr lang für ihn freigehalten worden. Steinhaus hat die Kollegen alle ein bis zwei Monate besucht. Es sei gut gewesen, rauszukommen und Normalität zu erleben. „Ich wollte zurück. Und ich habe immer dran geglaubt, dass es wieder gut wird,“ sagt Steinhaus. Auch seine Kollegen waren sicher: „Der Junge ist stark, der schafft das.“

Kevin Steinhaus schießt am 14. Oktober für den TuS Harpen zwei Tore, bereitet zwei weitere vor. Dennoch ist er bescheiden, sagt, er wolle nicht über Gebühr gelobt werden. Der Erfolg sei schließlich eine Mannschaftsleistung.

Es lohnt sich, nicht aufzugeben.
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