Tagespresse, 09.01.2015, 12:12
Kantine mal anders: Auf dem Werksgelände von ThyssenKrupp Steel Europe versorgt die gute alte Imbiss-Bude die Stahlkocher von Früh- bis Spätschicht
Die Bude ist Kult. Sie gehört zum Ruhrgebiet wie die Hochöfen zum Stahl. Die ersten sind zu Zeiten der Industrialisierung entstanden, damit sich die Arbeiter auf dem Weg zur Arbeit mit Essen und Getränken verpflegen können. Auf dem Werksgelände bei ThyssenKrupp Steel Europe tun sie das bis heute. Eine davon ist die „Kantine 17/18“ nahe an Tor 1 im Werksteil Bruckhausen - direkt hinter einem Backstein-Bürogebäude, das hier alle nur „Bundeshaus“ nennen. Hierhin kommen im Schnitt irgendwo zwischen 400 und 800 Stahlkocher und Angestellte täglich. In der kalten Jahreszeit ist der trotz der Fliesenwände gemütliche Stehimbiss die erste Adresse für den Kaffee vor der Frühschicht oder eine heiße Suppe am Mittag. Insgesamt gibt es fünf solcher Kioske auf dem Werkgelände zur Versorgung der Mitarbeiter, darüber hinaus Essens-Kantinen in Verwaltungsgebäuden sowie das Restaurant „Schifferheim“am Hafen Schwelgern.
Wenn es morgens beim Bäcker nach frischen Brötchen riecht, gehen im „17/18“ die ersten Currywürste über die Theke. Um 5.30 Uhr öffnet Verkäuferin Monika Mausbach die Stehbude für hungrige Mitarbeiter nach der Nacht- und vor der Frühschicht. Für die 62-Jährige, die sich selbst als Morgenmensch bezeichnet, heißt das früh aufstehen: Ab 3 Uhr bereitet sie frische Brötchen, Salate, Kottelets und Saucen zu und das bereits seit gut 25 Jahren. „Leichte Kost sieht anders aus. Aber wer hart arbeitet, muss auch gut essen“, weiß Monika Mausbach, die bis 7 Uhr allein ist im Kiosk ehe eine Kollegin dazu kommt und hilft. „Im Grunde geht alles“, bringt sie das Produktangebot des Imbiss, der mehr ist als eine Pommesbude auf einen einfachen Nenner. Und so verkaufen die beiden Damen vom Grill neben der immer gefragten „Currywurst rot-weiß“ unter anderem rund 200 Brötchen, 100 Brühwürstchen und 30 Liter Kaffee täglich. „Bei manchen Stammkunden, die zum Teil seit 20 Jahren kommen, weiß unser Personal direkt, was sie wollen, wenn sie den Raum betreten“, weiß Betreiber Martin Brinkschulte von der Firma brimatic mit Sitz in Velbert. „Einige Kandidaten brauchen nichts anderes als ihre Currywurst.“
Der schlichte überdachte Bereich mit Stehtischen macht die Bude am Bundeshaus auch in den kalten Monaten zur beliebten Anlaufstelle. Die Kundschaft sind Mitarbeiter aus den Anlagen und Büros nebenan, aus technischen und gewerblichen Bereichen des Konzerns. „Es ist sehr freundschaftlich, hier sind wir alle per ‚Du‘. Die meisten kennen mich und klopfen morgens an die Hintertür für Kaffee und Zeitung“, erzählt Monika Mausbach, deren „Schicht“ jeden Tag um 11 Uhr endet.
„Der Name ‚17/18‘ stammt von früher“, erläutert Brinkschulte. „Da wurden die Kantinen in Doppelschicht betrieben. Das heißt es gab direkt nebeneinander die gleiche Kantine, eine rechts eine links, eine 17, die andere 18. Wenn die eine Seite zumachte und gereinigt wurde, startete in der anderen Seite der Verkauf. Insgesamt gab es 25 Kantinen an verschiedenen Stellen, die wurden einfach durchnummeriert zur leichteren Auffindbarkeit.“ Heute wird hier nicht mehr in Schicht gearbeitet. Auf der einen Seite ist Lager-, auf der anderen der Verkaufsraum. Dafür gibt es den 24-Stunden-Service der vielen Getränke- und Snackautomaten direkt neben der Bude aber auch in unmittelbarer Nähe zu den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter. „So gewährleisten wir heute eine Rundum-Versorgung und bieten zusätzlich kurze Wege“, berichtet Brinkschulte, dessen fast 200 Mitarbeiter eine Reihe von Industriebetrieben im Großraum Ruhrgebiet beliefern.
Auf dem 9,5 Quadratkilometer großen Werksgelände im Duisburger Norden arbeiten so viele Menschen wie in einer Kleinstadt leben. Von den ehemals 25 Buden werden heute nach wie vor fünf betrieben. Daneben dienen moderne Versorge-Automaten mit Stehtischen auf dem Werksgelände als kleine Pauseninseln. Martin Brinkschulte, seit 16 Jahren im Geschäft weiß: Ob Automat oder Kiosk, ihren Besuchern bedeuten sie weitaus mehr als reine Nahrungsaufnahme: „Sie sind Versorge- und Kommunikationstreffpunkt zugleich.“ Der Trend zu der 24-Stunden-Versorgung am Automaten konnte die klassische Pommesbude auf dem Werksgelände aber nicht ersetzen. Unzertrennlich gehört die Bude somit weiterhin zum Ruhrgebiet wie die Hochöfen zur Stahlproduktion.
Noch fünf Steh-Imbisse auf dem Werkgelände in Duisburg
Da das Leitungswasser in den Zeiten der Industrialisierung nicht genießbar war, entstanden vor Hochöfen und Zechen sogenannte „Selters-Buden“. Daraus haben sich dann viele der heutigen Kioske bzw. Pommes-Buden entwickelt. Neben den Kantinen in Duisburg, die vom Catering-Unternehmen ThyssenKrupp DeliCate versorgt werden, gibt es auf dem Werkgelände noch fünf Steh-Imbisse. Diese werden von der Firma brimatic (Velbert) betrieben. Die wohl bekannteste in Hamborn ist die „Kantine 17/18“ hinter dem Bundeshaus. Die gute Seele dieser Bude ist Monika Mausbach, die seit gut 25 Jahren auf der Hütte arbeitet und die Stahlkocher mit Essen und Getränken beköstigt.