Tagespresse, Fachpresse, 24.08.2016, 14:16
Kanupolo auf Top-Niveau: Johan Driessen peilt den letzten noch fehlenden Titel an – Ingenieur von thyssenkrupp startet bei Weltmeisterschaft in Italien
Für die Titel-Verteidigung bei der Deutschen Meisterschaft hat es ganz knapp nicht gereicht: Im Kanupolo-Finale auf dem Baldeney-See unterlag Johan Driessen mit seiner Mannschaft, dem KSV Rothe Mühle Essen, erst durch „Golden Goal“. Der 30-Jährige hat sich aber noch etwas vorgenommen in seiner Sportler-Karriere. Nach drei Vize-Titeln bei Weltmeisterschaften möchte er nun bei den Wettkämpfen endlich ganz oben auf dem Treppchen stehen. Dazu geht es für den Ingenieur von thyssenkrupp in Hohenlimburg vom 29. August bis 4. September nach Italien, wo das internationale Turnier ausgetragen wird.
Johan Driessen ist mehrfacher Deutscher Meister, amtierender Europameister und Vizeweltmeister. Eine Goldmedaille hat er auch schon gewonnen - allerdings nur bei den World Games 2013 im kolumbianischen Cali. Denn olympisch ist Kanupolo leider nicht. Eigentlich schade, denn die Sportart ist eine rasante Mischung aus Handball, Basketball und Rugby auf dem Wasser mit einer fast 100-jährigen Tradition in Deutschland. „Menschen, die das erste Mal Kanupolo sehen, schauen gewöhnlich länger als nur ein paar Minuten zu“, berichtet Driessen über Zuschauer, die sich von der Dynamik einfangen lassen. Obwohl Kanupolo spektakulär ist, findet die Sportart eher im Schatten Olympischer Wettbewerbe oder des Fußballs statt.
Dabei muss Driessen einen ähnlichen Aufwand treiben wie andere Athleten. Er kommt auf bis zu 18 Stunden Training pro Woche und ist an 20 Wochenende im Jahr in Sachen Kanupolo unterwegs. Das ist ein anspruchsvolles Programm, dem sich der junge Mann aber gern stellt. „Der Sport ist für mich wie eine Sucht. Als Leistungssportler muss man ihr verfallen sein, um permanente Bestleistungen zu bringen“, betont Driessen, der seit gut 15 Jahren im Kanupolo aktiv ist. Neben der Leidenschaft für den Sport ist es der Teamgeist, der ihn nicht loslässt. „Wir verbringen als Mannschaft gemeinsam viele schöne Momente und unvergessene Zeiten.“ Vor allem, weil Kanuten schon in jungen Jahren international unterwegs sind und Wettkämpfe in ganz Europa bestreiten. „Das schweißt zusammen.“
Und von Schweißen versteht Driessen viel. Der studierte Maschinenbauingenieur hat eine Zusatzausbildung als Schweißfachingenieur absolviert und drei Jahre lang in der Stahlsparte von thyssenkrupp in Duisburg und Dortmund gearbeitet. Heute hat er einen 30-Stunden-Job bei thyssenkrupp in Hohenlimburg, einem Spezialanbieter von Bandstahl. „Leistungssport kann man nur mit einer reduzierten Stelle treiben“, sagt der Essener, der täglich im Auto zur Arbeit pendelt. „Sonst reibt man sich auf und ist zu nichts mehr zu gebrauchen“, betont Driessen. „Ich bin gerne Ingenieur. Nur Sport wäre mir sicher nicht genug. Ich muss mich auch geistig austoben können.“ Und die Möglichkeit hat er von thyssenkrupp bekommen. Der Diplom-Ingenieur baut aktuell ein neues Schweißlabor in Hohenlimburg auf und arbeitet an seiner Doktorarbeit.
Die Herausforderung, Beruf und Sport miteinander zu verbinden, wird für Driessen immer größer. Denn mit 30 Jahren gehört der Athlet schon zu den älteren Spielern. „Viele hören nach dem Studium auf, wenn sie in den Job gehen, spätestens aber, wenn die Familie kommt.“ Neben den Wehwehchen, die länger brauchen, fehle vor allem die Zeit. „Von Mai bis August stehen fast jedes Wochenende vier bis fünf Spiele auf dem Plan“, sagt er. Hinzu kommen Trainingslager. Dafür quält er sich. Oft bestreitet er zwei Trainingseinheiten pro Tag – vor und nach der Arbeit. „Da bleibt einiges auf der Strecke.“ So kann er sich an keinen Urlaub erinnern, in dem er nicht sportlich unterwegs war. „Nur in der Sonnen liegen geht halt auch nicht, da werde ich ganz schnell zappelig“, sagt er über sich selbst.
Nun steht aber zunächst mal die Weltmeisterschaft bevor. Und da möchte sich Driessen den letzten, ihm noch fehlenden Titel gewinnen. Für den achtköpfigen Kader hat er sich qualifiziert und in der nächsten Woche geht der Wettbewerb los. Nach drei Vize-Titeln in Folge soll es endlich ein Sieg für die deutsche Nationalmannschaft werden. „Wir sind hungrig“, sagt er.