Julia Brüne: Ursprünglich habe ich Maschinenbau an der RWTH Aachen studiert und während dieser Zeit ein Praktikum in der Automobilindustrie gemacht. Dabei hatte ich meinen ersten Kontakt mit dem Werkstoff Stahl und erkannte schnell seine Bedeutung. Nach meinem Studium bin ich 2008 bei thyssenkrupp Steel als Trainee eingestiegen, zunächst im Vertrieb/Engineering für Karosserieteile. Schnell merkt man, was für ein faszinierender Werkstoff Stahl ist, aber auch, dass eine enorme Menge Energie für die Herstellung notwendig ist. Die gesamte Energieversorgung und -verteilung fand ich sehr spannend und als sich die Gelegenheit bot, habe ich den Wechsel in die Energiewirtschaft gewählt. In dieser Position habe ich mich intensiv mit dem Energieverbund der Hütte beschäftigt. Später hatte ich dann auch noch die Chance, als Vorstandsassistenz das Unternehmen aus einer strategischen Perspektive kennenzulernen. Jedoch bin ich dem Thema Energie stets treu geblieben und habe schließlich ins Team Energiewirtschaft und CO2-Management gewechselt, dessen Teamleitung ich seit Januar 2022 gemeinsam mit Silke ausübe.
Silke Klapdor: Ich habe zunächst eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau absolviert, wobei ich jedoch schnell gemerkt habe, dass ich mich weiterentwickeln möchte. Da war das Studium der Wirtschaftswissenschaften, ebenfalls an der RWTH Aachen, die logische Folge. Nach dem Studium bin ich dann 2007 als Trainee im Bereich Controlling Metallurgie bei thyssenkrupp Steel eingestiegen, und habe schon dort die Energiethemen aus der Controllingsicht betreut. Als sich die Möglichkeit ergab, direkt in die Energiewirtschaft zu wechseln, habe ich diese Chance ergriffen. Zunächst habe ich mich um die Abrechnungsseite der Energien gekümmert. Nach meiner Elternzeit lag mein Fokus verstärkt auf regulatorischen Themen und Vertragsangelegenheiten. Vor zwei Jahren entschieden Julia und ich, dass wir uns auch eine Führungsposition sehr gut vorstellen können.
Julia Brüne: Unser damaliger Vorgesetzte hat das Unternehmen verlassen, und es gab viele Diskussionen darüber, wie es weitergehen sollte. Dies führte uns zu dem Schluss: „Warum machen wir es nicht einfach selbst?“
Silke Klapdor: Bevor wir die eigentliche Bewerbung abgegeben haben, haben wir zunächst an verschiedenen Stellen im Unternehmen ins Gespräch gebracht, ob man sich so ein innovatives und neues Jobmodell vorstellen könnte. Schließlich war ein solches Tandem-Modell auf der Hütte bis dahin noch nicht umgesetzt worden.
Julia Brüne: Als Teamleiter:in in Teilzeit zu arbeiten, ist eine große Herausforderung. Es schien zunächst unmöglich, diese Aufgabe in 20 oder 25 Stunden zu bewältigen. Doch dann kam die Idee auf, die Position gemeinsam zu übernehmen. Allein hätte ich diese fixe Idee wahrscheinlich schnell verworfen. Aber zu zweit erkannten wir die Möglichkeit: "Warum eigentlich nicht?" Im Laufe unserer Gespräche entwickelten wir die Idee weiter. Schließlich entschlossen wir uns, es einfach zu versuchen und uns gemeinsam zu bewerben. Da jede ihre eigene Geschichte hat, haben wir jeder unsere eigenen Bewerbungsunterlagen erstellt, aber ein gemeinsames Anschreiben formuliert. In diesem Anschreiben machten wir deutlich, warum wir uns vorstellen können, die Teamleiter-Position gemeinsam zu übernehmen. Der Bewerbungsprozess verlief wie üblich, inklusive Einzelgesprächen, in denen wir aus unseren jeweiligen Perspektiven schilderten, wie wir uns das Tandem-Modell vorstellen.
Silke Klapdor: Zum einen kümmern wir uns in unserem Team um den ganzen Bereich der Energiewirtschaft und den damit verbundenen regulatorischen Themen, die in unserem Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen. Dazu gehören auch die unterschiedlichsten Energie- und Medienverträge. Ein weiterer wichtiger Bereich ist das CO2-Management, das die komplexe CO2-Berichterstattung im Rahmen des europäischen und nationalen Emissionshandel umfasst. Ein Schwerpunkt ist hier auch der Aufbau eines unternehmensweiten CO2-Management-Systems. Des Weiteren gehört die Begleitung der Optimierung des Energieverbundes während der Transformation unseres Unternehmens zum Aufgabenbereich des Teams. Dabei konzentrieren wir uns darauf, wie sich die Energieflüsse im Zuge des umfangreichen Umbaus verändern und wie wir diese effizient und nachhaltig gestalten können. Diese Schwerpunkte sind entscheidend, um unser Unternehmen zukunftsfähig und umweltbewusst aufzustellen.
Julia Brüne: Wir hatten schon immer viele Schnittstellen in unserer Arbeit und wussten daher, wie der andere arbeitet, welche Macken er hat, aber auch, welche Stärken. Wir ergänzen uns gut, und das war bereits erprobt. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schlüssel für unser Tandem. Es funktioniert nicht, einfach zwei Leute mit passenden Lebensläufen zusammenzuwerfen und zu hoffen, dass es klappt. Man braucht eine gemeinsame Basis, gemeinsame Werte und das Vertrauen, dass der andere Entscheidungen trifft, hinter denen man steht. Dafür muss man sich eine Zeit lang kennen. Wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir die Stelle nicht klassisch teilen wollen, indem jeder nur bestimmte Aufgaben oder Mitarbeitende betreut. Das wäre kein echtes Tandem, sondern ein geteiltes Team.
Silke Klapdor: Genau, wir hatten uns vorher abgesprochen und waren uns einig: Ein geteiltes Team kommt für uns nicht infrage. Es wäre nicht sinnvoll, wenn jeder nur ein halbes Team führen würde.
Julia Brüne: Uns ist wichtig, dass wir beide immer wissen, was der andere tut. Natürlich hat jeder seine Stärken. Silke geht mit einem genaueren Blick ins Controlling-Gespräch als ich, während ich mich eher um technische Fragestellungen kümmere. Aber wir sind so organisiert, dass wir stets über die Aufgaben des anderen informiert sind. Viele Dinge erledigen wir bewusst gemeinsam, vor allem wichtige Aufgaben wie Bewerbungs- und Mitarbeitergespräche. Das erfordert zwar mehr Abstimmung, aber wir haben gelernt, das gut zu organisieren.
Silke Klapdor: Wir sprechen täglich miteinander. Wenn Julia morgens um 8 Uhr in einer Besprechung war, informieren wir uns danach gegenseitig. Oder wenn ich nachmittags um 16 Uhr noch in einer Besprechung war, rufe ich Julia abends an, um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Wir haben keinen festen täglichen Termin, sondern agieren hier ad hoc, je nach Themen und Terminen. Dabei nutzen wir natürlich digitale Medien, um uns abzustimmen.
Julia Brüne: Wir notieren online Stichpunkte, die der andere nachlesen kann. Das hilft uns, schnell zu verstehen, was der andere meint, da wir uns gut kennen. Unsere Dokumentation ist mittlerweile effizient organisiert. Egal welches Tool wir nutzen, es funktioniert gut.
Silke Klapdor: Wir haben es so eingerichtet, dass wir beide Zugriff auf die Notizen des anderen haben. Wenn Julia in einer Besprechung ist, kann ich ihre Notizen später lesen und bin so immer informiert. So können wir auch parallele Aufgaben übernehmen.
Silke Klapdor: Natürlich gab es zu Anfang durchaus auch Skepsis, nicht jeder lässt sich schnell auf Neues ein und das Konzept war ja vollkommen neu. Da muss man auch selbstbewusst sein und auf seine Qualifikationen vertrauen – wir haben die Berufserfahrung und das nötige Know-How.
Julia Brüne: Die Skepsis gab es allerdings eher vor Antritt der Stelle, mittlerweile haben wir uns etabliert und erfahren viel Zustimmung seitens der Kolleg:innen.
Silke Klapdor: Ein großer Vorteil ist, dass man nie allein ist. Man hat immer jemanden, mit dem man sich abstimmen kann. Durch die Führung im Tandem hat man eine Art Sparringspartner, der einem hilft, die eigenen Gedanken zu überprüfen und sicherzustellen, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Julia Brüne: Zudem bringt der andere oft einen neuen Blickwinkel ein, was uns hilft, Dinge schneller voranzutreiben. Das macht unsere Zusammenarbeit effektiver. Wir kommen aus unterschiedlichen Disziplinen – Ingenieurwesen und Betriebswirtschaft. Auch wenn man denken könnte, dass sich unsere Sichtweisen im Laufe der Jahre angeglichen haben, bleibt doch immer ein Unterschied bestehen. Das ergänzt sich hervorragend, weil wir uns gegenseitig auf Aspekte hinweisen, die der andere vielleicht übersehen hat.
Silke Klapdor: Ich würde sagen, ich bin manchmal impulsiv und direkt, während Julia eher ausgeglichen ist und länger überlegt. Diese Balance hilft uns, Entscheidungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und sicherzustellen, dass wir alle relevanten Aspekte berücksichtigen.
Julia Brüne: Durch unsere unterschiedlichen fachlichen und charakterlichen Eigenschaften ergänzen wir uns ideal. Manchmal bringt Silke Ideen ein, die ich selbst nicht bedacht hätte, und umgekehrt. Es ist wichtig, dass wir uns dieser Dynamik bewusst sind und sie als Stärke nutzen.
Julia Brüne: Am Anfang haben wir uns intensiv damit beschäftigt, wie wir unsere Termine strukturieren und wie wir uns über wichtige Themen austauschen. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung einer gemeinsamen E-Mail-Adresse, über die wir relevante Informationen teilen. Das hat sich bewährt, da wir so sicherstellen können, dass beide immer auf dem gleichen Stand sind.
Silke Klapdor: Wir haben auch festgestellt, dass es hilfreich ist, sich einen Ablauf und Organisation zu überlegen, wie der Tandempartner schnell über wichtige Punkte informiert ist, um Prioritäten zu setzen. Das erleichtert uns die Zusammenarbeit und stellt sicher, dass wir uns effizient abstimmen können.
Julia Brüne: In den letzten zwei Jahren haben wir unsere Arbeitsweise dahingehend optimiert, sowohl organisatorisch als auch zeitlich. Dadurch haben wir mehr Raum für den Austausch und können unsere Aufgaben effektiver bewältigen.
Julia Brüne: Wir sind ein Beispiel dafür, dass Führung auch in alternativen Modellen erfolgreich sein kann.
Silke Klapdor: …abseits der klassischen Hierarchien.