Die Sonne im Tank
Die Verbindung von Ökonomie und Ökologie ist gelungen. Der StreetScooter, ein elektrisches Nutzfahrzeug, ist serienreif. Er kommt auf leisen Sohlen daher, vermeidet 0,3 Tonnen klimaschädigendes Kohlendioxid pro Jahr, ist flink, wendig und ein Zusteller der besonderen Art. Denn aus dem Start-up ist eine Tochtergesellschaft des weltgrößten Logistik-Konzerns Deutsche Post DHL Group geworden. Die gelben Wagen mit grünem Antrieb sind deutschlandweit für die Paket- und Briefzustellung unterwegs. So etwas schafft man natürlich nicht alleine.

Da steckt viel thyssenkrupp drin
Seit der Anfangsphase 2010 ist thyssenkrupp einer der strategischen Entwicklungspartner bei dem Projekt. Der Technologiekonzern unterstützt die Entstehung des StreetScooters und liefert Werkstoffe und Komponenten für das neue E-Auto. „Wir haben auf wirtschaftlichen Leichtbau gesetzt und eine Karosseriestruktur aus Stahl entworfen, die mit einer Kunststoff-Außenhaut beplankt wird“, sagt Andreas Breidenbach aus dem Bereich Technologie und Innovation bei thyssenkrupp Steel.
Anstelle teurer Werkzeuge und kostenintensiver Anlagen kamen preiswerte Fertigungsmethoden der Bauteile zum Einsatz, wie beispielsweise Rollprofilieren und einfache Kant- und Biegeprozesse. „Die Herausforderung war enorm“, so Breidenbach. „Denn die Karosserie muss sowohl die Insassen als auch die Batterie des Elektrofahrzeugs schützen.“ Die Karosserie besteht daher mehrheitlich aus speziellen höher- und höchstfesten sowie warmumgeformten Stählen für die A- und B-Säule. Damit die Batterie bei einem Unfall nicht beschädigt wird, ist sie im Boden zwischen den Längsträgerstrukturen verbaut. „Mit unseren Neuentwicklungen haben wir gezeigt, dass unser Stahl in der Elektromobilität seinen Platz hat.“
Das gilt auch für die Stoßdämpfer von thyssenkrupp Bilstein: Das zulässige Gesamtgewicht eines voll beladenen StreetScooters beträgt 2.130 Kilogramm, am Ende eines langen Zustelltags kann es über eine halbe Tonne weniger sein. Um trotzdem ein ausgewogenes Dämpfungsverhalten zu erreichen, muss die Abstimmung sehr sorgfältig vorgenommen werden. Schnittstellen-Design und Kooperationen zwischen unterschiedlichen Branchen werden zu zentralen Erfolgsfaktoren. „Im engen Austausch ist uns ein genialer Wurf gelungen“, sagt Kampker.
Die Post kommt elektrisch
Der erste Prototyp war so attraktiv, dass die Post hellhörig wurde. „Sie war damals auf der Suche nach einem preiswerten und funktionalen E-Lieferwagen.“ Das Modell des StreetScooters passte perfekt ins „Go-Green“-Konzept der Post und so übernahm der Paketzusteller 2014 das Start-up-Unternehmen – und wurde zum Automobilbauer. Der Prototyp sollte viele Kriterien erfüllen – nämlich funktional, wirtschaftlich und umweltverträglich sein. Der 1,5 Tonnen schwere Wagen mit grüner Antriebstechnologie muss täglich bis zu 200 Stopps und Anfahrvorgänge bewältigen und braucht bis zu 650 Kilogramm Ladevolumen für Briefe und Pakete. 2016 waren bereits 2.000 emissionsfreie StreetScooter auf deutschen Straßen unterwegs – mit Leichtbauelementen von thyssenkrupp Steel und Stoßdämpfern von thyssenkrupp Bilstein.

Und die Pläne sind ehrgeizig: „So schnell wie möglich soll die konventionelle Zustellflotte der Post, immerhin fast 45.000 Fahrzeuge, ersetzt werden“, so Kampker. Es gibt bereits eine Version mit acht Kubikmeter Ladevolumen, eine weitere soll folgen. Täglich melden sich Interessenten aus dem In- und Ausland. „Der Bedarf ist riesig.“ Seiner Ansicht nach stehen Autos mit Verbrennungsmotoren schneller vor dem Aus, als es die Experten derzeit vorhersagen.