Wie beurteilen Sie den Ist-Zustand des Unternehmens?
Ich sehe hier ein Unternehmen, das in den letzten fünf Jahren große Fortschritte gemacht hat. Aus einer Situation heraus, wo wir am Markt praktisch kaum mehr stattgefunden haben, hin zu einer Position, an der thyssenkrupp Electrical Steel in vielerlei Hinsicht als Referenz dient, wenn es um innovative Materialien für Transformatoren geht. Und das weltweit, nicht nur in Europa.
Wie definieren Sie in dieser Situation Ihre Rolle als CEO?
Mein Job ist es, unser gutes Unternehmen zu einem erstklassigen Unternehmen weiterzuentwickeln. Das ist unsere Mission für die kommenden fünf Jahren. Denn wir bewegen uns in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld. Deswegen geht es für uns jetzt darum, neben der Effizienz auch unsere Qualität und Performance zu verbessern. Und das hängt sehr stark damit zusammen, dass wir unsere Art der Führung und unsere Führungskräfte effektiv weiterentwickeln und bereits starke Partnerschaften mit unseren Kunden weiter ausbauen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Beziehung zu Ihren Kunden?
Wir sind in einer sehr guten Ausgangsposition, weil wir bereits eine sehr starke Bindung zu unseren Kunden haben. Wir fühlen eine gemeinschaftliche Verantwortung, Europa bei der grünen Transformation zu unterstützen und dafür eine resiliente Lieferkette aufzubauen, die auch langfristige Perspektiven für die Unternehmen schafft. Das Geschäft mit kornorientiertem Elektroband ist schließlich sehr speziell.
Was genau meinen Sie damit?
Bei vielen unseren Kunden handelt es sich um Familienunternehmen, deren Besitzer sehr langfristig denken. Sie planen das Geschäft nicht mit Blick auf das nächste Quartal, sondern auf die kommenden Generationen. Genau das müssen wir bei der Zusammenarbeit stärker berücksichtigen. Wir wollen diesen langfristigen Ansatz spiegeln, etablieren und pflegen.
Die Energiewende geht teilweise nur schleppend voran. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für die Energiewirtschaft?
Die größte Herausforderung ist, dass die europäische Lieferkette für das gesamte Transformatorengeschäft sehr fragil ist. Um die Resilienz zu erhöhen, müssen wir unsere Industrie in Europa durch kluge Regeln für den Import von Stählen und anderen Komponenten aus anderen Regionen schützen. Das ist ein Drahtseilakt, denn gleichzeitig müssen diese Regeln die Einfuhr der für die Energiewende erforderlichen Mengen an kornorientiertem Elektroband ermöglichen. Zudem muss unsere Wettbewerbsfähigkeit, trotz großer regionaler Unterschiede bei Energie- und Arbeitskosten, noch stärker gesichert werden. Und schließlich müssen auch wir unsere eigenen Hausaufgaben machen.
Und die wären?
Ich bin der Meinung, dass wir in Europa den Hunger und Führungsanspruch in den Bereichen Leistung, Qualität und Technologie verloren haben. thyssenkrupp Steel hat das erkannt und investiert signifikant in Qualität, Performance und die Mitarbeitenden. Besonders der letzte Punkt ist entscheidend: Denn der Unterschied zwischen unseren Mitbewerbern und uns sind vor allem die Menschen, die für uns arbeiten. Deshalb optimieren wir Stück für Stück unsere Organisation, damit jeder in der Lage ist, sein Bestes zu geben und das Gefühl hat, für das richtige Unternehmen zu arbeiten.
Welche Erwartungen haben Energieunternehmen heute an die Hersteller von kornorientiertem Elektroband?
Für die Hersteller von Transformatoren misst sich unsere Qualität in einer einfachen Währung: Wattverlust pro Kilogramm Material. Dafür bieten wir mit unseren Top-Grades hochwertiges Material am Markt an. Unsere Kunden machen sich aber auch Sorgen wegen der aktuell unsicheren geopolitischen Lage und der Handelspolitik. Wir planen Investitionen in unser Produktionsnetzwerk und setzen damit ein wichtiges Zeichen für mehr Liefersicherheit in Europa.
Welchen Stellenwert haben nachhaltige Produkte in der Strategie von thyssenkrupp Electrical Steel?
Nachhaltige Produkte stehen im Zentrum unserer strategischen Ausrichtung, insbesondere im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung der Lieferkette für die Energieversorgung. Dadurch, dass sich der globale Energiesektor zunehmend auf erneuerbare Quellen und Elektrifizierung umstellt, gewinnt der CO2-Fußabdruck jeder einzelnen Komponente im Stromnetz an Bedeutung. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage für kornorientiertes Elektroband aus bluemint® Steel exponentiell wachsen wird. Schon deshalb, weil unsere Kunden ihre Transformatoren mit diesem Argument deutlich besser verkaufen können. Sie können sich durch den geringeren CO2-Fußabdruck im Wettbewerb gut von anderen Anbietern differenzieren, die nicht nachhaltig produzieren.
Welche konkreten Ziele haben Sie sich für die kommenden zwei Jahre gesetzt?
Wir müssen uns in vier Punkten entscheidend weiterentwickeln: Qualität und Performance, Kundenpartnerschaften, Kosteneffizienz und weitere Investments. Wenn uns das gelingt, werden wir in Europa beim Geschäft mit kornorientiertem Elektroband für Transformatoren in den nächsten 24 Monaten klarer Marktführer sein.