Tagespresse, 20.05.2016, 10:42
Mitarbeiter von thyssenkrupp qualifiziert sich für Olympische Spiele in Rio
Levent Tuncat hofft auf eine Medaille beim Taekwondo
Er hat es geschafft: Levent Tuncat hat sich für die Olympischen Spiele qualifiziert. Im August wird der 27-Jährige in Rio de Janeiro in einer der härtesten Sportarten im Programm antreten, dem Taekwondo. Dabei rechnet sich der Mitarbeiter von thyssenkrupp sogar gute Medaillen-Chancen aus. Schließlich ist er derzeit Weltranglisten-Dritter in der Gewichtsklasse bis 58 Kilogramm. Neben seinen sportlichen Ambitionen will Deutschlands bester Taekwondo-Kämpfer Olympia „nur genießen“. 2008 war er als Medaillen-Favorit nach China gereist, am Ende reichte es nur zu Platz 8. „In Peking war ich noch so jung und wurde von den Ereignissen überrollt“, blickt Tuncat zurück. Vier Jahre später konnte er die Wettkämpfe in London verletzungsbedingt nur vor dem Fernseher verfolgen. Bei seiner zweiten Olympia-Teilnahme in einigen Wochen in Rio hofft er nun, „dass es einfach schöne Spiele werden“ – und wenn möglich seine Karriere mit einer Olympia-Medaille zu krönen.
Sein Trainer nennt ihn den „Messi des Taekwondo“
Bis dahin geht Tuncat keinem Kampf aus dem Weg. Der gebürtige Duisburger steckt gerade in intensiven Trainings-Vorbereitungen auf das anstehende Weltereignis in Brasilien. Wie hart der Weg dorthin ist, weiß der türkischstämmige Deutsche aus eigenem Erleben. Nach dreijähriger Verletzungspause war er auf Weltranglistenplatz 70 abgerutscht, neben dem Sport machte er in der Stahlsparte von thyssenkrupp seine Ausbildung zum Industriekaufmann. „Der Weg zurück war alles andere als leicht", erinnert sich der Athlet, der von seinem Heimtrainer aufgrund seiner guten Technik schon mal als „Messi des Taekwondo" bezeichnet wird. Seit rund einem Jahr kann er sich voll und ganz auf seinen Sport konzentrieren. Möglich wurde das durch die Förderung von Deutscher Sporthilfe und Sportstiftung NRW sowie der Absicherung eines Festvertrags durch seinen Arbeitgeber thyssenkrupp inklusive 18-monatiger Freistellung - für Tuncat „ein Schritt in die richtige Richtung“. „Ich war einer der wenigen im Bundeskader, der Beruf, Familie und Sport gleichzeitig unter einen Hut bringen musste“, erzählt der zweifache Vater von seiner Dreifach-Belastung. Nach einem harten Wettkampf irgendwo auf dem Globus ging es immer direkt im Anschluss zurück ins Büro. Für die Qualifikation zu den Olympischen Spielen und die Vorbereitung auf Rio tauschte der Angestellte in der Einkaufs-Abteilung vor einigen Monaten seinen Schreibtisch in Duisburg mit den Sportmatten bei seinem Heimatverein „Leopard Lengerich“ oder internationalen Turnieren und Vorbereitungscamps. „Jetzt kann ich zweimal am Tag trainieren und habe trotz Trainings die Möglichkeit, auch Zeit mit meiner Familie zu verbringen." Deshalb zog er auch vorübergehend nach Wesseling bei Köln in die Nähe seines Trainingsorts, sagt aber, dass er demnächst wieder nach Duisburg ziehen werde.
Nach Olympia geht es wieder an den Schreibtisch im Duisburger Werk
Für Tuncat ist der koreanische Kampfsport mehr als ein Freizeit-Hobby. „Es ist unbeschreiblich, Taekwondo zu machen. Das muss man einfach lieben“, betont der junge Mann, der anfangs Fußball beim MSV Duisburg gespielt hat, bevor sein Vater ihn zum Taekwondo brachte. Deshalb hat er auch die Dreifach-Belastung aus Vollzeitjob, Sport und Familie viele Jahre auf sich genommen. Dass er diesen zeitintensiven Spagat bislang ganz gut hinbekommen hat, zeigen zum einen seine sportlichen Erfolge unter anderem als dreifacher Europameister, 14facher Deutscher Meister und Olympia-Teilnehmer 2008. Bei der Weltmeisterschaft 2015 in Russland belegte er Platz fünf. Zum anderen hat der Taekwondoka daneben ab 2010 seine Ausbildung zum Industriekaufmann in der Stahlsparte von thyssenkrupp absolviert und gleichzeitig seinen Arbeitgeber und seine Kollegen von seinen Fähigkeiten, seinem Einsatz und seiner sympathischen Art überzeugt.
Freistellung seitens thyssenkrupp half auf dem Weg nach Rio
Dass die breite Unterstützung bei thyssenkrupp in Duisburg keine Selbstverständlichkeit ist, weiß auch Tuncat: „Das ist unheimlich wichtig für mich. Das Vertrauen, das ich vom Unternehmen und meinen Kollegen erhalte, hilft mir, meine Leistung zu bringen. Alle glauben an mich.“ Und das schließt die vorübergehende Freistellung für das immense Trainingsprogramm im Hinblick auf Rio 2016 verbunden mit der Sicherheit, anschließend wieder einen festen Job im Einkauf bei thyssenkrupp zu haben, mit ein. Viel Zuspruch bekommt Tuncat auch von Trainern, anderen Taekwondoka, Freunden und der Familie. Für Ehefrau Nildem („Mein größter Fan“), die er beim Sport kennengelernt hat, und den zwei kleinen Kindern bleibt angesichts der vielen Camps und Turniere wenig Zeit. Vom Sport versucht Tuncat aber in den eigenen vier Wänden abzuschalten: „Meine ganzen Urkunden, Medaillen und Pokale sind bei meinen Eltern. Wenn ich nach Hause komme, steht nur meine Familie im Mittelpunkt.“ Dass der Fliegengewichtler sportlich auf dem richtigen Weg ist und das intensive Training Wirkung zeigt, beweist jetzt seine Olympia-Qualifikation im Wettbewerb mit der internationalen Taekwondo-Elite. Bis nach Rio ist noch ein schweißtreibender Weg für den 27-Jährigen, den er hochmotiviert - auch mit dem Blick auf seine letzte Olympia-Teilnahme - angeht: „Der Moment auf der Matte, wenn die Beine durch die Schreie tausender Menschen zu zittern beginnen, motiviert mich weiterzumachen, hart zu arbeiten, um meinem Traum von einer olympischen Medaille täglich ein Stück weit näher zu kommen."
Wiege des Kampfsports Taekwondo liegt in Korea
Taekwondo ist ein koreanischer Kampfsport. Die drei Silben des Namens stehen für Fußtechnik (Tae), Handtechnik (Kwon) und Weg (Do). Die Technik ist sehr auf Schnelligkeit und Dynamik ausgelegt. Aus dem koreanischen Volkssport ist mittlerweile ein moderner Vollkontakt-Wettkampfsport geworden, der weltweit von über 40 Millionen Athleten trainiert wird. Wie bei anderem asiatischen Sportarten wird besonders auf Respekt und Zeremoniell geachtet, teilweise gibt es strenge Regeln. So darf beim Training nicht geredet oder laut gelacht werden, um die Kommandos des Lehrers jederzeit zu verstehen.
Bei den Olympischen Spielen in Rio wird der Taekwondo-Wettbewerb in vier Gewichtsklassen ausgetragen. In jeder davon treten 16 Sportler an. Die Taekwondoka gehen in der zweiten Olympia-Woche auf die Matte und zwar vom 17. bis 20. August.