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Ganz schön smart: Innovative Umformtechnik

Ganz schön smart: Innovative Umformtechnik

Wäre es nicht fantastisch, maßtaugliche Bauteile aus höchstfesten Stahlsorten prozesssicher zu fertigen? Mit dem neuen smartform®-Verfahren geht das.

Foto: thyssenkrupp/Rainer Kaysers

Pro Sekunde verlassen 50 sicherheitsrelevante Strukturbauteile die Pressen europäischer Automobilproduzenten. Bei der Fertigung eines Autos ist das Presswerk eine zentrale Stelle. Dort finden hochkomplexe Produktionsschritte statt. Diese bringen viele Herausforderungen mit sich. So erhöht sich zum Beispiel mit zunehmender Festigkeit des eingesetzten Materials seine prozessbedingte Rückfederung. Dieser Effekt musste bislang aufwendig kompensiert werden.

Innovation in der Kaltumformung

Wie wäre es aber, ein und dasselbe Werkzeug mit Stahlgüten in den Festigkeitsklassen von 600 MPa bis 1.200 MPa bestücken zu können? Damit könnte man immer ein maßhaltiges Bauteil fertigen. Ohne etwas an den Parametern oder am Werkzeug verändern zu müssen.

„Das war in der Umformtechnik bisher nicht machbar“, sagt Martin Kibben, Entwicklungsingenieur bei thyssenkrupp Steel in Duisburg. Ihm und seinen Kollegen aus der Anwendungstechnik ist jedoch genau das gelungen: Höchstfeste Stähle können nun auch in der Kaltumformung verarbeitet werden. Prozesssicher und maßhaltig. Der Name der patentierten Technologie: smartform®.

Umformtechnik ohne Rückfederung

Das innovative Verfahren bietet insbesondere eine Lösung für die Problematik der Rückfederung. „Höchstfeste Stähle wirken generell wie eine Feder“, sagt Dr. Thomas Flehmig, Leiter des Entwicklungsteams. „Sie lassen sich zwar umformen, sobald sie das Werkzeug aber verlassen, federn sie mitunter stark zurück.“ Für die weitere Verarbeitung sind jedoch schon minimale Veränderungen an der Geometrie relevant. „Im Auto wird beispielsweise jedes Bauteil mit anderen Komponenten zusammengesetzt. Da müssen die Fügebereiche exakt passen.“

Clever und smart: Dr. Thomas Flehmig (l.) und Martin Kibben waren maßgeblich an der Entwicklung der neuen Technologie beteiligt.
Clever und smart: Dr. Thomas Flehmig (l.) und Martin Kibben waren maßgeblich an der Entwicklung der neuen Technologie beteiligt.

Smarte Fertigungstechnik für die Automobilindustrie

Mit smartform® können selbst hochkomplexe Geometrien aus höchstfesten Materialien passgenau hergestellt werden. „Unser Ziel war es, die Automobilindustrie dabei zu unterstützen, unsere neuesten Werkstoffe prozesssicher zu verarbeiten“, so Flehmig. „Die Technologie ist jedoch ebenso in anderen Branchen anwendbar.“

Sie setzt sich im Wesentlichen aus zwei Stufen zusammen: Im ersten Schritt bekommt das Stahlblech seine Vorform mit einer möglichst konturnahen Bauteilgeometrie. Dabei wird die Rückfederungswirkung vollständig toleriert.

Im zweiten Schritt erfolgt das Kalibrieren auf die Endgeometrie. Dafür wird das künftige Bauteil gezielt im Kalibrierwerkzeug auf seine Endkontur gestaucht. Jegliche unerwünschte Rückfederung wird kompensiert. Die Werkzeuge für das smartform®-Verfahren sind mit jeder Standardanlage kompatibel. Sie unterscheiden sich in den Kosten nicht wesentlich von einer konventionellen Ausrüstung.

Biegeverfahren mit vielen Vorteilen

Die serienreife Technologie bietet noch weitere Vorteile. „Ein großes Plus ist die Robustheit des Prozesses“, so Kibben. „So ist bei konventionellen Fertigungsverfahren nach einem Coil-Wechsel mitunter ein mehr oder weniger aufwendiges Nachjustieren der Anlage nötig. Der Einfluss von Reibung oder Materialeigenschaften hat durch smartform® stark abgenommen.“

Trotz schwankender Eingangs- und Prozessgrößen bleibt das Ergebnis immer gleich. Unternehmen sparen mit smartform® nicht nur Zeit und Geld, sondern auch Material – und das in zweifacher Hinsicht: Beim Fertigungsprozess wird exakt so viel Blech verbraucht, wie für die Umformung notwendig ist. Der Randbeschnitt fällt im Vergleich zum konventionellen Tiefziehen weitestgehend weg. Je nach Komplexität des Bauteils lässt sich so der Materialverbrauch um durchschnittlich 15 Prozent reduzieren.

Sogar Leichtbaupotenziale lassen sich aus dem Biegeverfahren schöpfen. Die Werkstoffvorteile höchstfester Güten liegen gerade in der Automobilindustrie auf der Hand, etwa bei crashrelevanten Komponenten. Solche Stähle wurden für komplexe Geometrien bisher nicht großflächig in der Kaltumformung eingesetzt, weil die Prozesssicherheit nicht gegeben war.

Dank smartform® können diese Bauteile nun auch aus Stählen der nächsthöheren Festigkeitsklasse und in einer dünneren Dicke gefertigt werden.

Dr. Thomas Flehmig

Die smartform®-Technologie stabilisiert den Fertigungsprozess, verkürzt die Stillstände der Anlagen aufgrund von Störungen, reduziert den Materialeinsatz und schont die Werkzeuge. Und sie macht das Unmögliche möglich: die Herstellung maßhaltiger Bauteile in unterschiedlichsten Festigkeiten in nur einem Werkzeugsatz.

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