Tagespresse, 08.12.2014, 13:38
Bewegender Besuch: Enkel von Eduard Herzog, der als Vorstandsvorsitzender den Wiederaufbau der August Thyssen-Hütte einleitete, war zu Gast bei ThyssenKrupp Steel Europe
Hier hat also der Großvater gearbeitet: Andrej Blacher war sichtlich beeindruckt, als er mit Familie und Freunden vor der alten Hauptverwaltung der August Thyssen-Hütte in Duisburg-Hamborn stand. Im ersten Stock des Gebäudes befand sich das Büro seines Vorfahren Eduard Herzog, des ersten Vorstandsvorsitzenden des Stahlkonzerns nach 1945. Die Besucher hatten einen ereignisreichen Tag bei ThyssenKrupp Steel Europe hinter sich, bevor sie sich zum Abschluss vor der ehemaligen Firmenzentrale zum Gruppenfoto versammelten.
Der Besuch von Herzogs Enkel und anderen Verwandten kam mit Unterstützung von Professor Manfred Rasch, dem Leiter des ThyssenKrupp Konzernarchivs, zustande. „Die Leistung von Eduard Herzog, die vollständige Demontage des Werks nach dem Zweiten Weltkrieg verhindert zu haben, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden“, so Rasch. „Es ist schön, seinen Nachfahren die Früchte dieser Arbeit vor Ort zeigen zu können. Zudem verdichten sich in Herzogs Biografie wesentliche Aspekte deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert.“ Herzog, 1886 geboren, studierte Eisenhüttenkunde und begann seine Laufbahn bei der August Thyssen-Hütte 1924 als Stahlwerksleiter. In den 30er- und 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts geriet Herzog wegen seiner jüdischen Ehefrau Dorothy, einer gebürtigen Engländerin, unter Druck. Herzog wurde „als arischer Partner einer Mischehe“ trotz Unterstützung und Fürsprache seiner Chefs ab 1941 in zunehmendem Maße in seiner Stellung beschränkt. Nach dem Krieg war Herzog der richtige Mann am richtigen Platz: 1945 wurde er Vorstandsvorsitzender der unter alliierter Kontrolle stehenden Thyssenhütte und blieb dies bis 1951. In unzähligen Verhandlungen konnte er nicht nur die Demontage des gesamten Werks abwenden, sondern schaffte es auch mit seinem taktischen Geschick, den Wiederaufbau des Werks auf den Weg zu bringen. Er wurde dabei von einer breiten Allianz aus Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften und der Belegschaft unterstützt. Nicht zuletzt kam ihm auch sein Ruf als exzellenter Stahlwerker zugute. Herzog starb 1951. Aus seiner Familie stammen einige bedeutende Künstler: Seine Tochter, Gerty Blacher-Herzog, war eine bekannte Pianistin, ihr Mann Boris Blacher ein erfolgreicher Komponist und einflussreicher Kulturpolitiker. Mit der Schauspielerin Tatjana Blacher und dem bekannten Violinisten Kolja Blacher, ist auch die Enkelgeneration künstlerisch erfolgreich.
Eduard Herzogs Enkel Andrej Blacher war äußerst beeindruckt, fast 70 Jahre nach dem unermüdlichen Einsatz seines Großvaters für den Erhalt der Hütte, das heutige Stammwerk von ThyssenKrupp Steel Europe im Rahmen einer ausführlichen Besichtigung zu erkunden.
Anlass für den Besuch war die Überlassung von Fotografien und eines Briefwechsels zwischen Eduard Herzog und seiner Frau Dorothy an das ThyssenKrupp Konzernarchiv, die Unterlagen stammten aus dem Besitz der im Januar 2014 verstorbenen Tochter Gerty Blacher-Herzog. Die historischen Dokumente bereichern die Archivbestände.