thyssenkrupp Steel weiß seit einiger Zeit, dass Kunden bei der Kombination von höherfesten Stählen der dritten Generation auf Herausforderungen gestoßen sind. „Gerade das Widerstandspunktschweißen von solchen neuen feuerverzinkten AHSS-Güten ist nach wie vor eine der kritischsten Prozessstufen in der Fertigung“, bestätigt Patrick Kuhn, Produktmanager Mehrphasenstähle bei thyssenkrupp Steel. Die Herausforderungen äußern sich in der potentiellen Bildung von Flüssigmetallversprödung, die zu einer Rissbildung im Schweißpunkt führen kann. Dies sorgt für Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von dritte Generation AHSS-Stähle auf Seiten der Verarbeiter und Automobilhersteller. Seine Kollegin Melanie Dinter aus dem Sales Engineering Bereich des Stahlherstellers führt weiter aus: „Die Hinweise unserer Partner haben wir sehr ernst genommen und sind dem intensiv nachgegangen. Deshalb ermitteln wir seit Jahren entwicklungsbegleitend fügetechnische Parameter zur anwendungstechnischen Unterstützung unserer Kunden.“
Die zentrale Frage dabei: Lassen sich Komponenten aus jetQ®-Güten zuverlässig und ohne Rissbildung mit anderen Materialien zu praxistauglichen Bauteilen mittels Widerstandspuntkschweißen verschweißen? Um diese Frage unter praxisnahen Bedingungen zu beantworten, haben thyssenkrupp Steel und sein langjähriger Partner Benteler Automotive Components – ein führender international agierender Zulieferer der Automobilbranche – Ende 2024 ein gemeinsames Testprojekt initiiert.
Benteler: „Testergebnis ist wichtiger Schritt Richtung Serieneinsatz von jetQ® “

Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen acht verschiedene Stahlkombinationen der Marke jetQ® 980 und jetQ® 1180, jeweils kombiniert mit gängigen Stählen für Strukturanwendungen aus der Serienfertigung. Darunter waren auch besonders anspruchsvolle Varianten wie die Verbindung von aluminium-silizium-beschichteten Warmformstählen mit feuerverzinkten Kaltformgüten – typische Mischverbindungen etwa im Bereich von B-Säulen. Die eigentlichen physischen Tests fanden an den Standorten Dortmund (thyssenkrupp Steel) und Paderborn (Benteler) statt. Während thyssenkrupp Steel die Schweißprozesse durchführte, übernahm Benteler die anschließende Bewertung durch mikroskopische Analysen und Zugversuche. Das Resultat: Bei über 500 analysierten Schweißpunkten wurde kein einziger LME-induzierter Riss festgestellt. Ein überaus positives Ergebnis, das selbst die Erwartungen der Benteler-Experten übertraf.
„Die LME-Rissneigung ist bei der Verarbeitung von feuerverzinkten AHSS-Stählen immer ein wichtiges und teilweise auch herausforderndes Thema“, so Tobias Böddeker, Director R&D Materials Technology bei Benteler Automotive Components. „Dass wir in unserem gemeinsamen Projekt mit thyssenkrupp Steel ausschließlich rissfreie Verbindungen nachweisen konnten, ist ein wichtiger Schritt, um den Serieneinsatz dieser neuen Stähle mit einer Zugfestigkeit von 1000 MPa und mehr auszuweiten.“
Die Grundlage für die überzeugenden Ergebnisse liefert die konsequente Entwicklungsarbeit von thyssenkrupp Steel aus den vergangenen Jahren. „Bereits im Vorfeld des gemeinsamen Projekts wurden im Rahmen der werkstofftechnischen Entwicklung mithilfe der normierten SEP1220-2-Verfahren robuste Schweißparameter für das Widerstandspunktschweißen für unterschiedlichste Materialpaarungen ermittelt“, erklärt Sebastian Schulte, verantwortlicher Experte aus der Pressschweisstechnik bei thyssenkrupp Steel. Diese systematische Datenbasis ermöglichte es, die Tests mit praxisnahen und reproduzierbaren Parametern durchzuführen und so Ergebnisse zu erzielen, die als Basis für eine Anwendung in der Serienproduktion dienen können.
jetQ® für den Leichtbau der Zukunft
Dass das Projekt nicht nur ein technischer, sondern auch ein partnerschaftlicher Erfolg war, zeigt der enge Austausch zwischen den Teams beider Unternehmen. Während thyssenkrupp Steel seine umfassende Expertise in der Werkstoff- und Prozessentwicklung einbrachte, profitierte das Projekt maßgeblich von Bentelers Prozesskompetenz sowie dem direkten Zugang zu OEM-Anforderungen und realen Anwendungsfällen.
Benteler sieht in jetQ® eine wichtige Ergänzung des eigenen Werkstoffportfolios, insbesondere für sicherheitsrelevante Strukturbauteile, bei denen bisherige Güten an ihre Grenzen stoßen. „AHSS Stähle der 3. Generation, zu denen auch die neuen jetQ®-Güten zählen, bieten uns und unseren Kunden zusätzliche Freiheiten bei Konstruktion und Design, und zwar genau dort, wo sie benötigt werden“, sagt Serge Reitz, Globaler Koordinator in der Werkstoffanwendung für kaltgeformte Strukturbauteile bei Benteler Automotive Components. Auch die OEMs zeigen Interesse an der dritten AHSS-Generation – sofern Fügeverfahren zuverlässig und ohne aufwändige Anpassungen umsetzbar sind. „Genau das konnte unser Gemeinschaftsprojekt nun eindrucksvoll belegen“, so der Werkstoffexperte.
Fazit: jetQ® 980 und jetQ® 1180 sind nicht nur neue Werkstoffe, sondern auch Schlüsselkomponenten für den Leichtbau der nächsten Generation. Und: Sie sind praxistauglich. Mit den richtigen Schweißparametern lassen sich auch anspruchsvolle Materialverbindungen rissfrei umsetzen. Eine zentrale Erkenntnis, die zeigt, wie wichtig das Zusammenspiel von Werkstoffinnovation, Prozess-Know-how und partnerschaftlicher Entwicklung ist – heute mehr denn je.