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Dierk Raabe, Geschäftsführer des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung

Dierk Raabe ist als Geschäftsführer des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung Werkstoffen mit intelligenten Eigenschaften auf der Spur.

(Interview: Judy Born)

Was machen Sie bei sich am Institut?

Wie alle Institute der Max-Planck-Gesellschaft betreiben wir Grundlagenforschung. In unserem Fall auf dem Gebiet der metallischen Werkstoffe, mit dem Fokus auf Eisen und den eisenverwandten Werkstoffen.

Was unterscheidet das Max-Planck-Institut für Eisenforschung von anderen?

Wir kooperieren in hohem Maße mit der Industrie. Das ist eine gewachsene Verbindung, da wir auch einen Grundförderungsanteil von der Stahlindustrie für unsere Projekte bekommen.

Kommen Sie als Geschäftsführer denn noch selbst zum Forschen?

Ja, das tue ich. Man muss in dieser Position darauf achten, nicht zum reinen Manager oder Verwalter zu werden. Forschung muss nachhaltig sein, das heißt, man braucht mitunter einen langen Atem. Entwicklungen können sich über Jahrzehnte hinziehen. Ich kann nicht mehr überall dabei sein, aber an einigen Programmen bin ich noch recht intensiv beteiligt.

An was haben Sie zuletzt geforscht?

An der korrelierenden Atomsondentomografie. Ihr liegt die Idee zugrunde, dass man im Prinzip jedes einzelne Atom als chemische Spezies erkennen und einer Position im Material zuordnen kann. Finden sich beispielsweise Wasserstoffatome in einem hochfesten Werkstoff, kann das zum Versagen führen und katastrophale Folgen haben – denken Sie an ein Flugzeugfahrwerk. Die Atomsondentomografie ermöglicht, dass man Metalle Atom für Atom auseinandernehmen und ihr Verhalten bestimmen kann. Bereits geringe Veränderungen des Atomgehalts führen bisweilen zu enormen Veränderungen im Material.

Dierk Raabe, Geschäftsführer Max-Planck-Institut für Eisenforschung

Forschung muss nachhaltig sein, das heißt, man braucht mitunter einen langen Atem. Entwicklungen können sich über Jahrzehnte hinziehen.

Dierk Raabe, Geschäftsführer Max-Planck-Institut für Eisenforschung

Sie forschen auch an sogenannten „selbstheilenden“ Stählen. Wie ist das zu verstehen?

Das hat man sich vom Menschen abgeschaut. Wenn wir uns verletzen, kann sich unser Körper in der Regel selbst heilen. Etwa bei einem Knochenbruch oder einem Schnitt in der Haut. Unser Organismus erkennt, dass sich an der verletzten Stelle die Spannung zwischen den Zellen geändert hat und aktiviert Mechanismen, um das wieder in Ordnung zu bringen.

Und das kann man auch auf anorganische Werkstoffe übertragen?

Oh ja! Der Vorteil dabei: Auch Atome bleiben nicht an ihrem Platz, sondern wandern hin und her. Sie unterscheiden sich in ihrer Beweglichkeit und ihrer Bindungsenergie an ihre Umgebung. Beeinflussen lässt sich das unter anderem durch Temperatur, die zugeführt wird. Wir machen momentan einen Versuch mit Stählen und Nickelwerkstoffen, die für hohe Temperaturen erdacht worden sind und für Kraftwerksturbinen verwendet werden. Das heißt, wenn ich bestimmte, ausreichend bewegliche Atome in einen Werkstoff einbringe und die Turbine einen kleinen Riss oder eine Pore bekommt, dann wandern im Idealfall diese Atome verstärkt dorthin und verschließen den Defekt wieder, wenn er klein genug ist.

Stahl ist also ein schlauer Werkstoff…

Man hat dafür sogar einen Begriff: Smart Materials. Darunter versteht man Werkstoffe, die ihre Bestimmung ändern, wenn man ihre Randbedingungen verändert. So gibt es Magnesiumlegierungen, die sich im Organismus zersetzen und auflösen. Stellen Sie sich ein Implantat vor, das der Körper nur vorübergehend benötigt – etwa Schrauben zur Heilung eines Knochenbruchs. Ist er zusammengewachsen, müssen die Schrauben herausoperiert werden. Lösen sie sich jedoch auf, kann man sich die OP sparen.

… und Stahl hat weiterhin eine Zukunft?

Aber unbedingt! Der Bedarf an Stahl ist weltweit enorm. Hochhäuser und Anlagen jedweder Art und Größe, Brücken und vieles mehr sind ohne Stahl nicht denkbar. In Europa besteht die größte Herausforderung für die Stahlindustrie beim Leichtbau, weil ein großer Teil des Umsatzes mit der Autoproduktion generiert wird. Für das Baugewerbe sind intelligente Werkstoffe besonders interessant. Ich denke da an kommunizierende Stähle, die durch akustische Eigenschaften oder Widerstandsänderungen mitteilen, sobald sie renovierungsbedürftig werden. Schädigungen an Brücken und Wolkenkratzern könnten frühzeitig erkannt und behoben werden – und wir hätten es künftig auch mit schlauen Bauwerken zu tun.

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