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Grünen Wasserstoff importieren oder produzieren?

Frank Merten

Was ist die richtige Strategie, um die verfügbaren Mengen an grünem Wasserstoff binnen weniger Jahre massiv zu erhöhen? Antworten finden sich in einer aktuellen Studie des Wuppertal Instituts. Ein Interview mit Studienautor Frank Merten.

Herr Merten, im Sommer haben Sie eine Studie zu Wasserstoffbedarfen für die grüne Transformation veröffentlicht. Was genau haben Sie untersucht?

Wir haben uns bestehende Studien und Szenarien angeschaut, um daraus künftige Wasserstoffbedarfe für einzelne Sektoren abzuleiten. Außerdem haben wir Untersuchungen zu den Kosten der Wasserstoffproduktion im In- und Ausland ausgewertet. Die Studie war ein Update, ähnliche Fragestellungen hatten wir bereits 2020 untersucht. Wir wollten daher auch wissen, was sich in der Zwischenzeit geändert hat.

Und, welche Unterschiede gab es?

Zum einen sind die prognostizierten Bedarfe für grünen Wasserstoff bis zum Jahr 2030 gegenüber der vorherigen Studie zum Teil deutlich zurückgegangen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass wir für die grüne Transformation jährlich zwischen 30 und 100 Terawattstunden (TWh) an Wasserstoff benötigen. Drei Jahre zuvor waren es 80 bis 110 TWh. Wichtigste Nachfrager sind dabei die Sektoren Industrie und Energiewirtschaft. Langfristig steigen die Bedarfe weiter an. Wir reden dann für die Jahre 2045 beziehungsweise 2050 von Bandbreiten zwischen 200 und 700 TWh, wobei die hohen Verbräuche in manchen Studien aus zusätzlichem, intensivem Einsatz im Verkehrs- und Wärmesektor resultieren.

Auffällig sind die signifikanten Mengenunterschiede innerhalb der Betrachtungen. Sie zeigen, dass es wesentliche Unsicherheiten darüber gibt, wie sich Angebot und Nachfrage entwickeln werden. Und das wiederum ist eine Herausforderung, wenn es um die Planung der Infrastruktur, also von Leitungen und Speichern, geht.

Wie haben sich die Kosten entwickelt?

Die spezifischen Investitionskosten für Elektrolyseanlagen sind rückläufig. Dadurch haben sich die Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff auch in Deutschland verbessert. Sie liegen in den untersuchten Studien meist unterhalb der Importkosten per Schiff. Mittel- und langfristig günstiger sind allerdings Importe via Pipelines aus Nordafrika, Spanien, Ost- und Nordeuropa. Insbesondere Europa ist für uns ein wichtiger Handelspartner, denn wir haben hier bereits eine gute Infrastruktur, die es uns ermöglicht, Wasserstoff kostengünstig zu importieren. Aktuell importiert Deutschland mehr als zwei Drittel seines Energiebedarfs.

Wird sich diese Abhängigkeit in einer Wasserstoffwirtschaft verringern?

Hier gilt es, verschiedene Abhängigkeiten gegeneinander abzuwägen und möglichst gut auszutarieren. Was die Mengenpotenziale angeht, sind wir in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern schlechtergestellt. Aber das heißt nicht automatisch, dass wir auch hohe Abhängigkeiten bekommen müssen. Wasserstoff wird auf absehbare Zeit ein knappes Gut bleiben, deswegen ist es von Vorteil, wenn wir uns zunächst auf sogenannte „No Regret“- Anwendungen fokussieren, also auf Bereiche, die anders schwer zu dekarbonisieren sind. Auf diese Weise ist es möglich, die Transformation mit vergleichsweise wenig Wasserstoff zu bewältigen. Ob das auch langfristig der optimale Weg wäre, ist aus heutiger Sicht nicht zu beantworten. Denn der Einsatz von Elektrolyseanlagen, und damit die Eigenproduktion, hat durchaus sehr positive systemische Effekte.

Welche systemischen Effekte sind das?

Elektrolyseure nutzen Strom und produzieren Gas. Dadurch schaffen sie eine Verbindung zwischen Strom- und Gasnetz. Zudem lassen sie sich sehr flexibel betreiben. Sie können zum Beispiel überschüssigen Strom aus den Windparks in Norddeutschland aufnehmen und ins Gasnetz weiterleiten. Dieser Strom wird heute abgeregelt. Und zwar in hohem Maße: Insgesamt gehen durch die Abregelung von Strom aus erneuerbaren Energien Mengen verloren, die bilanziell ausreichen würden, um den für thyssenkrupp Steel benötigten Wasserstoff zu produzieren. Hinzu kommt, dass der kluge Einsatz von Elektrolyseuren die Stromnetze entlasten und an manchen Stellen dabei helfen würde, Lücken beim Ausbau der Stromnetze zumindest zeitweise zu kompensieren. Wir brauchen diese systemischen Eigenschaften, also das Auspegeln von Engpässen und Überschüssen, wenn wir Strom künftig zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien beziehen. Von daher ist es immer eine Abwägung zwischen der kostengünstigen und der systemdienlichen Produktion von Wasserstoff.

Es geht also zunächst einmal um eine fokussierte Anwendung von grünem Wasserstoff?

Genau. Wir brauchen ihn für die Stahlproduktion, weil wir dort durch die Substitution von Kohle und Koks hohe Mengen an CO2 einsparen. Ähnliches gilt für die Chemikalienproduktion, da ist die Elektrifizierung schwierig und noch nicht weit fortgeschritten. Und dann brauchen wir den Wasserstoff in der Energieversorgung, um Backup-Kraftwerke zu betreiben. In anderen Bereichen, darunter Verkehr und Gebäude, können wir direkt elektrifizieren.

Dann drücken wir uns die Daumen, dass die Fokussierung gelingt …

In der Tat. Und wir sollten nicht vergessen, was wir schon alles geschafft haben. Der PV-Zubau boomt und ich hoffe, dass wir auch die Hürden bei der Windkraft überwinden und der Ausbau dann ebenfalls zügig voranschreitet. Die Energiekrise hat uns gezeigt, dass es verschiedene Wege gibt, um effizient mit Ressourcen umzugehen. Und dass mehr geht, als wir mitunter denken.

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