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Shopfloor Management bei Steel

Prozesse in der Stahlindustrie werden optimiert

Shopfloor Management bei thyssenkrupp Steel: KVP-Manager Sebastian Stronski mit Carsten Rokitt
Fotos: thyssenkrupp Steel Fotografie / Rainer Kaysers

Als eines der ersten Unternehmen in der Prozessindustrie hat thyssenkrupp Steel das Shopfloor Management etabliert. Das neue Führungsinstrument stärkt die Kundenorientierung.

Carsten Rokitt scheut sich nicht davor, Fliegen ins Gesicht zu bekommen. So beschreibt er die Arbeit in erster Reihe. Auf Gebieten, auf denen noch nicht viele waren. Wenn überhaupt. Dort, wo es wenig Schutz und viel Gegenwind gibt. Seit er im Jahr 2000 seinen ersten Job bei thyssenkrupp Steel am Hochofen angetreten hat, zog es ihn immer wieder auf diese Positionen: ob als interner Berater, der neuartige Prozesse im Unternehmen etablierte oder als Bauherr der weltgrößten Tuchfilteranlage. Gemeinsam mit seinem 15-köpfigen Team hat Carsten Rokitt das Führungsinstrument des Shopfloor Managements bei Steel eingeführt – als einem der ersten Unternehmen in der Prozessindustrie.

Kernprinzipien des Shopfloor Managements

Fast zwei Jahre ist das her. An diesem Donnerstagnachmittag besucht der Leiter der Produktionssysteme die gekoppelte Beiz- und Tandemanlage in Dortmund. Hier werden Coils zum Beispiel für Kunden aus der Automobilindustrie weiterverarbeitet. Pro Schicht entstehen 100 auf Kundenwunsch zugeschnittene Coils. Gearbeitet wird rund um die Uhr, über 1,9 Millionen Tonnen Stahl laufen jedes Jahr durch die Anlage. Ein Kernprinzip des Shopfloor Managements besagt: Sei als Führungskraft vor Ort und mache Dir selbst ein Bild, statt Mails zu schreiben und Meetings einzuberufen.

Also ist es nur konsequent, wenn sich Rokitt anschaut, wie das von ihm eingeführte Prinzip in der Produktion gelebt wird, während nebenan fünf Walzgerüste mit jeweils bis zu 3.300 Tonnen Druck auf das Stahlblech einwirken. Er beobachtet, wie Schichtkoordinator Patrick Rau mit seinem Team um 15 Uhr die Regelkommunikation durchführt: Bei den täglichen Besprechungen am Vor- und Nachmittag trifft sich das Team gemeinsam am Board, einer Tafel, auf der Tabellen, Spalten und Zahlen visualisieren, welcher Auftrag bearbeitet wird, was die Ziele sind, welche Prozesse ablaufen, wo es Probleme gibt – quasi die Produktion und die Aufgaben auf einen Blick.

Wir etablieren eine neue Führungskultur – das ist ein immerwährender Prozess, der niemals endet.

Carsten Rokitt, Head of Production Systems bei thyssenkrupp Steel

Vorteile der Methode in der Prozessindustrie

„Ist das Board gepflegt, weiß ich, dass die Prozesse gelebt werden“, sagt Rokitt. Das Board ist eine der wenigen Situationen, in denen das Werkzeug, das die Produktion nachhaltig verändern soll, überhaupt sichtbar wird. Der Kern – die direkte, transparente und effektive Kommunikation der Führungskraft – entfaltet seine Wirkung eher im Verborgenen. Der Schichtkoordinator Rau hat diese Wirkung erlebt: „Das Shopfloor Management hat in den vergangenen Monaten die Arbeit hier in Dortmund verändert – mit positiven Auswirkungen auf die Ergebnisse.“ Probleme werden nachhaltiger gelöst, „weil wir verbindlich aufschreiben, wer was macht und regelmäßig schauen, was wir erreicht haben“, gibt er ein Beispiel. „Taucht ein Fehler häufiger auf, suchen wir strukturierter als früher nach der Ursache.“ Dadurch würden Prozesse klarer, effizienter und im Ergebnis steige die Qualität. Auch positive Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit seien zu erkennen. Und die habe oberste Priorität, sagt Rau. Rokitt ist zufrieden.

Carsten Rokitt hat das Shopfloor Management bei thyssenkrupp Steel eingeführt
Carsten Rokitt verantwortet das Shopfloor Management bei thyssenkrupp Steel. Das Instrument für Führungskräfte stärkt die Kundenorientierung: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird zum Tagesgeschäft erklärt. Die Führungskraft zeigt Präsenz in der Produktion, kommuniziert direkt und effektiv mit den Mitarbeitern und coacht sie, statt sie zu belehren.

Neue Führungskultur als kontinuierlicher Prozess

Ein Führungsinstrument in den täglichen Arbeitsablauf zu integrieren, erfordert einen langen Atem. Ein gutes Jahr lang wurde das Shopfloor Management in sechs Lernwerken zunächst getestet und feinjustiert und anschließend in den Business Units bis Anfang 2020 hüttenweit ausgerollt. 2.000 Führungskräfte haben Schulungen erhalten, Boards wurden installiert. 430 davon gibt es inzwischen – in den Produktionsbereichen, aber auch produktionsnahen Betrieben. Jetzt geht es darum, die Prinzipien zu verstetigen. Oder wie es Rokitt ausdrückt: „Die Führungskräfte haben die Führerscheinprüfung bestanden, jetzt kommt die tägliche Fahrpraxis.“ Das ist nicht immer einfach. Denn: „Es geht um nichts weniger als eine neue Führungskultur, es ist ein immerwährender Prozess, der niemals endet.“ Tritt ein Fehler auf, wird nicht der Schuldige gesucht, sondern eine Lösung. Die Führungskraft coacht statt zu belehren. „Früher haben wir den besten Fachmann zum Chef gemacht, jetzt befähigen wir die Führungskräfte, noch besser zu führen“, umschreibt er es.

Board im Shopfloor Management
Tägliche Besprechungen am Board: Patrick Rau (rechts) kommt mit seinen Mitarbeitern zur Regelkommunikation zusammen, um Soll- und Ist-Zustand abzugleichen.

Das Shopfloor Management ist aufs engste verknüpft mit dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der permanenten Veränderung zum Besseren. Das Ziel: thyssenkrupp Steel für den Wettbewerb zu stärken und Produkte für höchste Kundenansprüche zu fertigen. Besonders Kunden aus der Autoindustrie, die aus eigener Erfahrung wissen, was das Shopfloor Management leisten kann, begrüßen den Schritt.

Dass sich das Vorhaben bewährt, zeigen auch die Expansionspläne. Das Prinzip wird auf die Verwaltung ausgeweitet, außerdem sollen die Prozesse digitalisiert werden. Vor allem letzteres ist ein Mammutprojekt. Schließlich betritt das 15-köpfige Team um Carsten Rokitt auch hier wieder Neuland. Ist das Shopfloor Management in der Prozessindustrie noch neu, so ist es die digitalisierte Version sowieso. Die Fliegen im Gesicht werden nicht weniger. Aber an die ist Carsten Rokitt ja ohnehin gewöhnt.

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