Das Konzept: Aus CO2 wird ein Rohstoff. Im September 2018 hat thyssenkrupp im Technikum Carbon2Chem® in Duisburg erstmals Methanol aus Stahlwerksgasen hergestellt.
Das Ziel ist klar: Bis 2050 soll die Stahlproduktion bei thyssenkrupp klimaneutral werden. Mit seiner Klimastrategie forciert das Unternehmen die bisherigen Aktivitäten zur Emissionsreduzierung, steht für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und bekennt sich zum Pariser Klimaschutzabkommen von 2015. In einem ersten Zwischenziel möchte thyssenkrupp bis zum Jahr 2030 die Emissionen aus Produktion und Prozessen im eigenen Unternehmen sowie die Emissionen aus dem Bezug von Energie gegenüber dem Referenzjahr 2018 um 30 Prozent senken.
Klimaneutral in die Zukunft
thyssenkrupp Steel hat die Emissionen in der Stahlherstellung in den vergangenen Jahren kontinuierlich und deutlich gesenkt und dabei die Prozesse nah an ihre theoretischen Optima herangeführt. Um eine klimaneutrale Stahlproduktion zu erreichen, bedarf es daher grundlegender technologischer Veränderungen. thyssenkrupp Steel verfolgt dabei einen technologieoffenen Ansatz und setzt auf zwei Pfade: die Vermeidung von CO2 durch den Einsatz von Wasserstoff („Carbon Direct Avoidance“, CDA) sowie die Nutzung von anfallendem CO2 („Carbon Capture and Usage“, CCU). Dabei geht thyssenkrupp schrittweise vor.
Mit Wasserstoff zum klimaneutralen Stahl
Das Konzept: Aus CO2 wird ein Rohstoff. Im September 2018 hat thyssenkrupp im Technikum Carbon2Chem® in Duisburg erstmals Methanol aus Stahlwerksgasen hergestellt.
Aus Hüttengasen des Duisburger Stahlwerks produziert die Pilotanlage kontinuierlich chemische Grundstoffe
In einer Anlage nutzen wir CO2, das sich nicht vermeiden lässt, im industriellen Maßstab als Rohstoff. Die Carbon2Chem®-Technologie ist auch für andere Industrien, wie zum Beispiel die Zementindustrie, anwendbar.
Seit 2019 erproben wir den Einsatz von Wasserstoff im laufenden Hochofen. Das Ziel: Die Ausstattung von Hochofen 9.
Mit einer großtechnischen Direktreduktionsanlage (DR), die perspektivisch mit grünem H2 betrieben wird, produziert thyssenkrupp Eisenschwamm, der zunächst in den Hochöfen (BF) verarbeitet wird, was weitere Emissionsminderungen ermöglicht.
Mit einem neuen, strombetriebenen Schmelzaggregat optimieren wir das Roheisensystem. Der Eisenschwamm aus der DR-Anlage wird so für das Oxygenstahlwerk verflüssigt. So ersetzen wir einen ersten kohlebasierten Hochofen.
Mit einer zweiten, größeren DR-Anlage und einem weiteren Einschmelzer ersetzen wir einen weiteren kohlebasierten Hochofen.
Mit vier DR-Anlagen und vier Einschmelzern stellen wir unseren Stahl klimaneutral her
Die beiden Pfade entwickelt thyssenkrupp Steel kontinuierlich weiter. Das Unternehmen ist immer auf der Suche nach noch effizienteren Lösungen oder Möglichkeiten, die Transformation zu beschleunigen – etwa durch neue technologische Erkenntnisse. Beim Wasserstoffpfad berücksichtigt thyssenkrupp Steel zudem stets die Verfügbarkeit von Wasserstoff, denn die Wasserstoffwirtschaft steht noch am Anfang ihrer Entwicklung.
tkH2Steel: Der Wasserstoffpfad
„Statt Kohlenstoff setzen wir im Hochofen Wasserstoff ein“, erklärt Dr. Arnd Köfler, Produktionsvorstand von thyssenkrupp Steel den ersten Schritt zur Vermeidung von CO2-Emissionen. Der Wasserstoff ersetzt dabei Einblaskohle: Wo beim Kohleeinsatz CO2 entsteht, entsteht beim Einsatz von Wasserstoff Wasserdampf. Am 11. November 2019 erfolgte am Standort Duisburg-Hamborn der Auftakt zum weltweit ersten von mehreren Versuchen zur Wasserstoffzufuhr an einer der insgesamt 28 Blasformen des „Hochofens 9“. Den Wasserstoff liefert das Unternehmen Air Liquide per Tanklastwagen. Gefördert wird das Projekt von der Initiative IN4climate der Landesregierung NRW. In den ersten Monaten seit Beginn der Versuche hat thyssenkrupp Steel bereits gute Fortschritte bei den Tests gemacht und wichtige Erkenntnisse gewonnen.
Bei erfolgreichem Abschluss der Versuche an einer Blasform soll dies im nächsten Schritt bis 2022 auf alle 28 Blasformen des Hochofens ausgeweitet werden. Die Versorgung findet dann über ein Leitungsnetz von Air Liquide statt, von dem eine 6,5 Kilometer lange Verbindung zum Hochofen gelegt wird. „Theoretisch ist mit dem Ersatz des Kohlenstaubs durch Wasserstoff an dieser Stelle im Produktionsprozess ein Einsparpotenzial von bis zu 20 Prozent des sonst anfallenden CO2 möglich“, erklärt Dr. Arnd Köfler.
Auch wenn die Umstellung des Hochofens 9 auf Wasserstoff kurzfristig erste Senkungen und auch ein erstes grünes Produkt ermöglicht, ist eine grundsätzliche Umstellung der Stahlproduktion notwendig. Eine entscheidende Veränderung stellt der Aufbau von Direktreduktionsanlagen (DR-Anlagen) dar. Die DR-Anlagen werden mit Gasen betrieben. Nutzt man dabei Wasserstoff, arbeiten sie emissionsfrei. Da klimaneutral produzierter Wasserstoff auf absehbare Zeit allerdings nicht in ausreichend großen Mengen verfügbar sein wird, kann vorrübergehend auch Erdgas eingesetzt werden. Dies senkt die Emissionen gegenüber der kohlebasierten Hochofenroute bereits deutlich. Die erste großtechnische DR-Anlage wird thyssenkrupp Steel im Jahr 2024 in Betrieb nehmen.
Im Gegensatz zum Hochofen produzieren DR-Anlagen kein flüssiges Roheisen, sondern festen Eisenschwamm („Direct Reduced Iron“, DRI). Damit dieser zu hochwertigem Stahl weiterverarbeitet werden kann, muss er zu einem roheisenähnlichen Produkt eingeschmolzen werden. Gemeinsam mit Anlagenbauern arbeitet thyssenkrupp Steel daher an einem völlig neuen Aggregat, um das Roheisensystem zu optimieren. Dabei handelt es sich um strombetriebene Einschmelzer, die mit den DR-Anlagen kombiniert werden. So erzeugen die Direktreduktionsanlagen mit Einschmelzer – genauso wie ein Hochofen – kontinuierlich ein flüssiges Produkt. In der Folge können die neuen Anlagen nahtlos in den bestehenden Hüttenverbund eingegliedert werden. Das hat den großen Vorteil, dass die bestehenden und erprobten Prozesse in den Duisburger Oxygenstahlwerken beibehalten werden können. Dort wird das flüssige Produkt zu den bewährten Stahlgüten weiterverarbeitet. Wir kochen also weiterhin Stahl wie bisher – nur eben mit Wasserstoff und grünem Strom statt mit Kohle.
Emissionen nutzen: Carbon2Chem®
Der zweite Technologiepfad, den thyssenkrupp verfolgt, um bis 2050 klimaneutral zu werden, ist das Projekt Carbon2Chem®. Mit ihm bereitet das Unternehmen Prozessgase auf, die bei der Stahlproduktion anfallen, und verarbeitet sie weiter. Die Bundesregierung hat die erste Phase des Projekts ab 2016 mit mehr als 60 Millionen Euro gefördert. Seit 2020 läuft die zweite Phase, die ebenfalls von der Bundesregierung mit 75 Mio. Euro gefördert wird. „Bei der Stahlproduktion entsteht Hüttengas mit kohlenstoffhaltigen Komponenten. Mit Carbon2Chem® gewinnen wir daraus Basischemikalien für die chemische Industrie, für die sonst Synthesegas aus importierten fossilen Ressourcen wie Öl oder Erdgas benötigt wird“, beschreibt Dr. Markus Oles, Projektkoordinator Carbon2Chem®, den zentralen Ansatz. „Aus den Basischemikalien lassen sich dann beispielsweise Dünger, Kunststoffe oder Treibstoffe herstellen.“
Seit September 2018 arbeitet thyssenkrupp im Technikum Carbon2Chem® in Duisburg an der Technologie und hat – weltweit zum ersten Mal – Ammoniak und Methanol aus Hüttengasen produziert.
Mit dem parallelen Einsatz beider Verfahren – Carbon2Chem® und dem Einblasen von Wasserstoff als Reduktionsmittel – kann thyssenkrupp die Emissionen auf der bestehenden Hochofenroute zukünftig deutlich reduzieren. Die Carbon2Chem®-Technologie ist auch für andere Industrien anwendbar.
Die Klimastrategie von thyssenkrupp Steel mit ihren beiden Pfaden ermöglicht sowohl langfristige Klimaneutralität als auch kurzfristige Einsparungen. Damit einher geht das baldige Angebot eines klimaneutralen Produkts. Mit dem Einsatz von Wasserstoff im Hochofen wird thyssenkrupp Steel bereits ab 2022 etwa 50.000 Tonnen bilanziell klimaneutralen Stahl pro Jahr produzieren. Mit dem Aufbau der DR-Anlagen wird diese Menge in den Folgejahren dann kontinuierlich ansteigen. Aufgrund der notwendigen Investitionen und des höheren Preises von Wasserstoff gegenüber Kohle geht thyssenkrupp Steel weiterhin von einem Aufpreis für klimaneutralen Stahl aus.
Die politischen Rahmenbedingungen
Die Umstellung der Produktionsverfahren auf Wasserstoff als Reduktionsmittel ist nicht nur in technischer Hinsicht eine anspruchsvolle Aufgabe. Auch politisch müssen kurzfristig auf europäischer und nationaler Ebene viele Weichen gestellt werden, damit die Transformation für thyssenkrupp und andere Stahlhersteller in betriebswirtschaftlicher Hinsicht zu leisten ist. Das beginnt damit, dass es eines regulativen Rahmens für den Bezug von Wasserstoff bedarf, damit dieser transportiert und in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen kann. Für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff ist zugleich ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich. Da der Bedarf nicht allein durch einen „Heimatmarkt“ gedeckt werden kann, muss über Importvarianten nachgedacht werden. Die von der Bundesregierung beschlossene Wasserstoffstrategie bietet einen wichtigen Ausgangspunkt für diese regulatorischen Fragen. Sie muss mit der europäischen Wasserstoffstrategie verzahnt werden.
Für die bauliche Anpassung der Anlagen und mit Blick auf die Erreichung der Klimaziele ist das Unternehmen darüber hinaus auf schnelle Genehmigungsverfahren angewiesen. Damit die wirtschaftliche Basis für die notwendigen Investitionen in die Transformation gewährleistet ist, dürfen sich die Produktionsbedingungen für die Stahlindustrie nicht verschlechtern. Dies betrifft insbesondere den Bezug von Energie und die Belastungen durch den Europäischen Emissionshandel (EU ETS). Um den Druck auf die Wirtschaftlichkeit der Transformation nicht weiter zu erhöhen, ist außerdem die effektive Anwendung bestehender oder die Schaffung neuer Handelsschutzinstrumente erforderlich, die die europäischen Stahlhersteller vor unfairen Importen schützen. Um einen Absatzmarkt für klimaneutralen Stahl zu schaffen, sind letztlich auch Anreize zu dessen Einsatz auf Abnehmerseite erforderlich.
Die Verantwortung der Stahlindustrie
Fünf Jahre ist es her, dass sich 195 Länder darauf geeinigt haben, die Erderwärmung gemeinsam zu bremsen. Das verbindliche weltweite Übereinkommen der Pariser Klimaschutzkonferenz im Dezember 2015 wurde international als ein historischer Meilenstein gefeiert. Das langfristige Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und die ist nur durch Maßnahmen lösbar, die ganzheitlich durchdacht und aufeinander abgestimmt sind. Die thyssenkrupp Steel Europe AG bekennt sich dazu, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren – und damit zu ihrem Beitrag, die Ziele des Pariser Übereinkommens zu erreichen.
Stahl wird wieder Stahl
Stahl hat sich als klimafreundlicher Werkstoff etabliert. Große Mengen des langlebigen Materials sind seit Jahrzehnten im Kreislauf und zu 100 Prozent wiederverwendbar. Weltweit werden jährlich rund 500 Millionen Tonnen Stahl recycelt und dadurch rund eine Milliarde Tonnen Rohstoff eingespart. Damit ist Stahl ein entscheidender Faktor auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft („Circular Economy“). Die Circular Economy zielt zudem darauf ab, die kohlenstoffbasierte Metallurgie weiter zu optimieren und Kohlenstoff in Synergie mit anderen Industriebranchen im Kreislauf zu nutzen.
Der Recyclingkreislauf spielt auch beim Life Cycle Assessment – kurz LCA – eine wichtige Rolle. Die Lebenszyklusanalyse rückt etwa im Automobilbau immer stärker in den Vordergrund. Sie zieht eine ökologische und ökonomische Gesamtbilanz von der Produktion über die Nutzungsphase bis zum Recycling. Stahl schneidet schon heute bei vielen LCA-Vergleichen deutlich besser ab als andere Werkstoffe. Wenn bei der Stahlproduktion künftig mehr CO2 eingespart wird, werden seine Vorteile noch stärker ins Gewicht fallen. Denn auch bei der Produktion weisen viele alternative Werkstoffe eine schlechtere Klimabilanz aus.
Eine klimaneutrale Gesellschaft ist ohne Stahl nicht vorstellbar. Viele Produkte und Industrien können nur mithilfe von Stahl technische Fortschritte erreichen und ihre Klimabilanz verbessern. „Keine Energiewende ohne Stahl“ ist die Devise: Windkrafttürme beispielsweise bestehen bis zu 80 Prozent aus Stahl. Ebenso unabdingbar ist Elektroband als Basiswerkstoff für effiziente Elektromotoren, Generatoren und intelligente Stromnetze.
Andersherum gilt: keine klimaneutrale Stahlproduktion ohne saubere Energie. Das macht deutlich, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtung des Themas Klimaschutz ist und wie eng Industrie und Energiewende miteinander verwoben sind.
Stahl macht es überhaupt erst möglich, die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Um die Stahlgewinnung auch in Zeiten der klimaneutralen Gesellschaft sicherzustellen, wird die Herstellung in den nächsten drei Jahrzehnten revolutioniert werden. Mit tkH2Steel hat sich thyssenkrupp bereits auf den Weg gemacht.
Presse
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Grafik: Wasserstoff für den Hochofen
Wasserstoff statt Kohle. thyssenkrupp Steel startet wegweisendes Projekt für eine klimafreundliche Stahlproduktion am Standort Duisburg
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Mark Stagge
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