Materialforscher verstehen unter Verschleiß den fortschreitenden Materialverlust aus der Oberfläche eines festen Körpers, der durch mechanische Ursachen hervorgerufen wird. „Einfacher ausgedrückt: Irgendetwas reibt pausenlos über den Werkstoff und trägt so kontinuierlich Partikel ab“, sagt Dr. Christian Heet, der bei thyssenkrupp Steel in Duisburg das neue Verschleißlabor leitet.
In erster Linie werden in der Verschleißprüfung Grobbleche auf ihre Eigenschaften getestet. Heet und sein Team untersuchen aber auch andere Stahlsorten. So lässt sich frühzeitig feststellen, welche Stähle Potenzial haben und gezielt zu besserer Verschleißbeständigkeit weiterentwickelt werden können. „Unsere Empfehlungen können wir nun schwarz auf weiß belegen und untermauern“, sagt Dr. Nina Kolbe, technische Kundenberaterin in der Business Unit Heavy Plate. „Und davon profitieren nicht nur unsere Grobblechkunden.“
Werkstofftests mit Synergieeffekt
Das Labor wird über alle Vertriebsbereiche hinweg und für die verschiedensten Industriebereiche genutzt. „Mit den Ergebnissen beraten wir unsere Kunden mit Verschleißanwendungen jetzt noch kompetenter und unterstützen sie bei der richtigen Auswahl ihrer Werkstoffe“, so Dr. Franz Domenic Boos vom Produktmanagement.
Künftig sollen die Untersuchungen an konkrete Kundenbedingungen angepasst werden, sodass thyssenkrupp Steel seine Abnehmer ganz individuell beraten kann. Praktiziert wird das bereits mit dem Global Wear Parts Management der Schwestergesellschaft Industrial Solutions. Die Business Area testet Werkstoffe für den Anlagenbau. „Während die Kollegen dort bei ihren eigenen Versuchen die Abrasivität der Gesteine testen, untersuchen wir für sie die Verschleißbeständigkeit der Metalle, die diese Gesteine bearbeiten“, so Heet. „Das ist ein schöner Synergieeffekt.“
Zwei Prüfverfahren sind möglich
Wie das geht? Auf zwei Wegen: Erstens ist der Verschleiß von der Kraft abhängig, die auf das Material wirkt. Daher übt Christian Heet unterschiedlich hohen Druck auf die Proben aus. Bei der Verschleißtopfprüfung lässt sich dieser Druck über die Füllmenge des Abrasionsmaterials, in der Regel Quarzsand oder Kies, variieren. Auch die Härte des Sandes und die Geschwindigkeit, mit der er über die Stahlprobe gleitet, bestimmen das Ergebnis. Die Bedingungen, denen das Material später ausgesetzt ist, lassen sich im Verschleißtopf realitätsnah simulieren.
Zweitens kommt der sogenannte Reibrad-Test zum Einsatz, um allgemeine Verschleißwerte von Werkstoffen zu ermitteln. Bei dem Verfahren drückt die Probe über einen Hebelarm gegen ein gummiertes Rad, das sich mit einer vorgegebenen Drehzahl dreht. Gleichzeitig rieselt von oben ein Prüfsand zwischen das rotierende Rad und die Stahlprobe – und sorgt so für Abrieb. Beide Versuche können mit trockenen oder nassen Sandsorten erfolgen. „Der Reibrad-Test dauert zwischen 30 Sekunden und 30 Minuten“, so Heet. „Ein Versuch im Verschleißtopf läuft hingegen über drei Tage.“